BGH, Urteil vom 02.12.1982, III ZR 121/81
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 1981 aufgehoben und das Grundurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 6. November 1980 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt am Ufer des Flusses S eine Wohnwagenproduktion. Auf dem Betriebsgelände war eine Traglufthalle aufgestellt, in der Kunststoffteile für den Einbau in die Wohnwagen lagerten. Am 22. Oktober 1979 brannte die Traglufthalle samt dem gelagerten Material ab. Mit dem Löschwasser gelangten sowohl unmittelbar als auch über die gemeindeeigene Kanalisation Verbrennungsrückstände des Kunststoffs in den Fluß S und verursachten dort ein Fischsterben.
Der Kläger hatte einen Teil des vom Fischsterben betroffenen Flußabschnitts als Fischgewässer gepachtet. Er verlangt von der Beklagten Ersatz des ihm durch das Fischsterben entstandenen Schadens.
Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch aus § 22 Abs. 2 WHG für gerechtfertigt angesehen, da seiner Auffassung nach die Lagerhalle, aus der die Schadstoffe in den Fluß gelangt sind, eine Anlage zur Lagerung von wasserverändernden Stoffen im Sinne dieser Vorschrift ist. Es hält es für unbeachtlich, daß die gelagerten Kunststoffteile in ihrer normalen Beschaffenheit die Wasserqualität nicht beeinträchtigen, sondern erst durch die Verbrennung wassergefährdende Stoffe entwickeln; seiner Ansicht nach gebietet es der Regelungszweck des § 22 Abs. 2 WHG, die Haftung auch auf solche Stoffe zu erstrecken, die nur latent, nämlich erst bei Hinzutreten weiterer Umstände, wasserverändernde Eigenschaften entwickeln.
Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.
2. Eine Haftung gemäß § 22 Abs. 2 WHG setzt voraus, daß aus einer Anlage zur Herstellung, Verarbeitung, Lagerung, Ablagerung, Beförderung oder Wegleitung von Stoffen, die die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändern, derartige Stoffe in ein Gewässer gelangen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellte die abgebrannte Halle, die der Lagerung von Kunststoffteilen für die Wohnwagenproduktion diente, keine derartige Anlage dar; denn die dort gelagerten Teile waren nicht geeignet, die Wasserbeschaffenheit in der genannten Weise zu verändern. Unstreitig verändern die Kunststoffteile in dem Zustand, in dem sie bei der Beklagten gelagert werden, die Wasserbeschaffenheit nicht. Erst durch ihre Verbrennung entstehen wasserbeeinträchtigende Stoffe, die in den Verbrennungsrückständen enthalten und im vorliegenden Fall mit dem Löschwasser in den Fluß gelangt sind.
Der Umstand, daß sich die Kunststoffteile durch Verbrennung in wassergefährdende Stoffe im Sinne von § 22 Abs. 2 WHG verwandeln, macht nicht auch die unverbrannten Teile bereits zu wassergefährdenden Stoffen im Sinne dieser Vorschrift. Nach dem auf einen umfassenden Wasserschutz gerichteten Regelungszweck dieser Bestimmung ist zwar nicht ausgeschlossen, daß auch Stoffe einzubeziehen sind, die erst durch einen Umwandlungsvorgang wassergefährdende Eigenschaften erlangen. Dies kommt jedoch nur in Betracht bei Stoffen, deren Umwandlung mit der Folge der Entwicklung wassergefährdender Eigenschaften eine typische Gefahr darstellt. Die Haftung des § 22 Abs. 2 WHG stellt einen Fall der Gefährdungshaftung für die besonderen Gefahren der Gewässerverunreinigung dar, die das Betreiben der genannten Anlagen typischerweise mit sich bringt (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1979 – III ZR 107/77 = NJW 1980, 943, 945 m.w.Nachw.). Diese Begrenzung auf typische Gefahrenlagen darf bei der Auslegung dieser Vorschrift nicht außer acht gelassen werden; denn nur aus der Schaffung einer solchen typischen Gefahrenlage rechtfertigt sich die Haftung des Anlageninhabers. Eine Erstreckung der Haftung auf Fälle, in denen es für die gelagerten Stoffe nicht charakteristisch ist, daß sie sich in wassergefährdende Stoffe verwandeln, scheidet daher aus.
Daher entfällt die Haftung auch im vorliegenden Fall; denn für die bei der Beklagten gelagerten Kunststoffteile war es weder allgemein noch nach den besonderen betrieblichen Verhältnissen typisch, daß sie in Brand gerieten und dabei wasserschädigende Rückstände bildeten. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, daß der Kunststoff, sofern er entzündet wird, leicht verbrennt. Dies reicht aber noch nicht aus, um eine typische Gefahrenlage anzunehmen. Erforderlich wäre, daß so gelagerte Kunststoffteile auch leicht in Brand gerieten; denn erst dann wäre ihre Verbrennung und Umwandlung in wassergefährdende Verbrennungsrückstände ein für sie typischer Vorgang. Es ist jedoch nicht festgestellt, daß die in der Halle gelagerten Kunststoffteile leicht in Brand geraten konnten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht hinsichtlich der in der Halle ebenfalls mitgelagerten Schaumstoffpolster. Zwar soll bei nicht genügend „abgekühltem“ Schaumstoff die Möglichkeit der Selbstentzündung bestehen, so daß bei der Lagerung derartigen Materials die Entzündung und Verbrennung eine typische Gefahrenlage darstellen könnten. Es ist im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt, daß es sich hier um solchen nicht „abgekühlten“ Schaumstoff gehandelt hat und daß eine Selbstentzündung die Brandursache war.
3. Auch eine Haftung aus § 22 Abs. 1 WHG scheidet aus, weil – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – nicht die Beklagte das giftige Löschwasser in den Fluß eingeleitet oder eingebracht hat.
Im Ergebnis waren daher die Urteile des Berufungsgerichts und des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.